Podcast: Lebensmittelwarnungen und Lebensmittelrückrufe

Stand:
Ob als Aushang im Supermarkt oder Nachrichtenmeldung - von Lebensmittelrückrufen lesen und hören wir regelmäßig. Aber was ist zu tun, wenn ein möglicherweise schadhaftes Produkt bereits bei mir zuhause im Vorratsregal oder Kühlschrank steht? Und was kann ich tun, wenn ich es bereits verzehrt habe?
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Darum geht es:

Alles über den Umgang mit unsicheren Lebensmitteln

Fast täglich gibt es in Deutschland eine offizielle Lebensmittelwarnung, die meist zum sofortigen Verkaufsstopp der betroffenen Produkte führt. In unserer neuen Podcastfolge informieren wir darüber, auf welchen Wegen sich Verbraucher:innen über unsichere Nahrungsmittel informieren können, welche Maßnahmen Hersteller und Anbieter im Fall der Fälle ergreifen müssen, und was zu tun ist, wenn man selbst von einem verunreinigten oder anderweitig gesundheitsgefährdenden Lebensmittel im Haushalt betroffen ist.

Diesmal zu Gast: Nora Dittrich, Referentin für Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Die folgenden, auch im Rahmen der Podcastfolge genannten Webseiten, informieren regelmäßig über aktuelle Lebensmittelwarnungen:

 

genau genommen - Der Podcast der Verbraucherzentralen wird gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

Wir freuen uns über Lob, Kritik und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Weitere Informationen finden Sie auf verbraucherzentrale.de.

 

Transkript

Ganze Folge zum Nachlesen

Hier klicken, um das Transkript zu öffnen...

Patrick Lohmeier: Wie war das noch mal vor gar nicht allzu langer Zeit? Es ist Ostern und die Kinder freuen sich auf ihre Lieblingsschokoladeneier mit der "Extraportion Milch", so wie der Hersteller noch in meiner Kindheit für seine Produkte warb. Und dann hört, sieht oder liest man in den Nachrichten, dass die so beliebten Süßigkeiten aufgrund einer Salmonellenbelastung am Produktionsort aus den Supermärkten genommen werden müssen. Aber vielleicht hatte man die verunreinigte Schokolade zu diesem Zeitpunkt bereits zu Hause. Oder noch schlimmer, man selbst oder seine Kinder hatten die Süßigkeit bereits gegessen, weil sich nun Monate später herausstellte, dass auch das Weihnachtssortiment des Vorjahres des gleichen Herstellers möglicherweise die gefährlichen Bakterien enthielt. Aber das ist kein Grund zur Panik. Nur die allerwenigsten Lebensmittelrückrufaktionen haben einen so aufsehenerregenden und gefährlichen Hintergrund wie dieser Fall aus dem Jahr 2022, der neben Deutschland auch gleich mehrere europäische Länder betraf. Aber egal, aus welchem Anlass Lebensmittel wieder aus den Regalen genommen werden, die Fragen sind auch bei vermeintlich harmlosen Fällen immer die gleichen: Wie und wo informiere ich mich bestmöglich zu verunreinigten oder sonstwie gesundheitsgefährdeten Lebensmitteln? Wo erhalte ich eine Erstattung für bereits gekaufte Produkte? Und was sind die wichtigsten Schritte, wenn ich ein verunreinigtes oder anderweitig schädliches Lebensmittel bereits verzehrt habe? Mein heutiger Gast, Nora Dittrich, arbeitet im Fachbereich Ernährung und Umwelt der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie ist Expertin für Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit und hat Antworten auf all diese Fragen. Und sie klärt auch darüber auf, was Hersteller tun müssen, damit wir beim nächsten Einkauf ohne Sorge um unsere Gesundheit wieder ins Lebensmittelregal greifen können. Dies ist genau genommen der Podcast der Verbraucherzentralen. Mein Name ist Patrick Lohmeier und ich freue mich, dass Sie uns zuhören.

Patrick Lohmeier: Über das Thema Lebensmittelrückrufe spreche ich heute mit Nora Dittrich von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Hallo Nora.

Nora Dittrich: Hallo Patrick!

Patrick Lohmeier: Schön, dass du dir die Zeit genommen hast. Ein ernstes Thema, aber vor allem ein Thema, glaube ich, mit dem jeder und jede von uns schon einmal Kontakt hatte: Lebensmittelrückrufe - mal mehr und mal weniger direkt. Ich versuche mich immer vorab ein wenig zu informieren und habe mir angeschaut, welche Lebensmittelrückrufe oder Lebensmittelwarnungen es aktuell gibt. Dabei bin ich auf Probleme wie Glassplitter in Kapern oder Pestizide in Mikrowellen-Popcorn gestoßen. Sind das gängige Gründe für Lebensmittelrückrufe?

Nora Dittrich: Es gibt jedes Jahr eine Auswertung über die häufigsten Gründe für einen Rückruf von Lebensmitteln. Für das letzte Jahr 2022 liegt diese Auswertung bereits vor. Die häufigsten Gründe für einen Rückruf waren mikrobiologische Kontaminationen. Das bedeutet, dass ein Lebensmittel zurückgerufen wird, weil es beispielsweise Salmonellen oder Listerien enthält. Weitere Gründe waren Grenzwertüberschreitungen, wie zum Beispiel der Einsatz von Pestiziden im erwähnten Popcorn, und zulässige Inhaltsstoffe. Allergene und Fremdkörper, wie beispielsweise Glassplitter oder Kunststoffteile in Lebensmittelprodukten, waren ebenfalls häufige Rückrufgründe.

Patrick Lohmeier: Ich wusste nicht, dass es möglich ist, Lebensmittel zurückzurufen, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum falsch angegeben wurde.

Nora Dittrich: Dazu habe ich sogar ein aktuelles etwas skurriles Beispiel eines Rohschinkens, der vom Hersteller zurückgerufen wurde, weil er mit einem falschen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ausgezeichnet wurde. Und zwar das der Oktober 1946! Und das liegt ja eine Weile zurück. Dabei sollte das Haltbarkeitsdatum Juni 2023 sein. Und hier empfahl der Hersteller, bei betroffenen Verpackungen vom Verzehr des Lebensmittels abzusehen. Er nahm dann das Produkt aus dem Vertrieb und informierte Verbraucher, dass sie den Schinken in den Einkaufstätten zurückgeben können gegen Erstattung des Kaufpreises. Ergänzen sollte man hier, dass es neben dem MHD auch noch das Verbrauchsdatum gibt. Hier gibt es einen wichtigen Unterschied. Während Lebensmittel nach Überschreiten des MHDs unter bestimmten Voraussetzungen auch weiterhin genießbar sein können, ist beim Verbrauchsdatum besondere Vorsicht geboten. Dies ist für besonders schnell verderbliche und empfindliche Lebensmittel gedacht und das Verbrauchsdatum gibt den letzten Tag an, an dem das Lebensmittel verkauft und verzehrt werden darf. Danach besteht eine Gesundheitsgefahr, beispielsweise durch Keime, die für Verbraucher auch nicht immer erkennbar sind.

Patrick Lohmeier: Kurze Zwischenfrage, denn aus Sicht der Verbraucherzentralen ist das auch interessant. Wir empfehlen ja, bei Lebensmitteln im Einzelfall drauf zu gucken, ob ich das Lebensmittel trotz abgelaufenem MHD noch verzehren kann, damit nicht komplett intakte Lebensmittel wie das noch genießbare Brot, Schokolade oder Joghurt im Müll landen. Das muss dann für jedes Produkt individuell beurteilt werden. Aber du sagst, bei mit einem Verbrauchsdatum ausgezeichneten Lebensmittel besteht akute Gesundheitsgefahr, wenn diese falsch deklariert sind. Gibt es denn Lebensmittelwarnungen, bei denen Verbrauchsdaten falsch angegeben wurden?

Nora Dittrich: Ja, es hab solche Fälle. Beispielsweise ein Lachsprodukt, das mit einem Verbrauchsdatum für Mai ausgezeichnet war, dies aber mit einem Datum einen Monat zuvor hätte tragen müssen. Das kann natürlich gefährlich werden, wenn das seit Wochen nicht mehr genießbare Lebensmittel dann zu spät verzehrt wird. Und aufgrund dessen wurde das Fischprodukt auch zurückgerufen.

Patrick Lohmeier: Das ist ja spannend. Hast du noch mehr aktuelle Fälle, die uns dabei helfen, die ganze Theorie rund um das Thema Lebensmittelwarnungen und Rückrufe zu verstehen? Ganz aktuell und praktisch?

Nora Dittrich: Ich habe auch einmal auf dem Rückrufportal lebensmittelwarnung.de nach aktuellen Beispielen gesucht. Dort habe ich beispielsweise ein Produkt gefunden, bei dem Listerien in Lachskaviar gefunden wurden. Das ist problematisch, da eine Infektion mit Listerien, der sogenannten Listeriose, bei kranken, älteren oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein kann. Andere aktuelle Beispiele betreffen Produkte, die Allergene enthalten. Senf in Leinsamen, Erdnüsse im Mandelmus oder Milcheiweiss in einem verganen Dessert. Das sind Allergene, die beispielsweise durch einen technischen Fehler oder aus anderen Gründen in das Produkt geraten sind - und eben nicht auf der Verpackung gekennzeichnet wurden. Das heißt, Allergiker erfahren beim Kauf nichts von diesen Allergenen im Produkt. Und da diese Inhaltsstoffe bereits in geringen Mengen allergische Reaktionen auslösen können und diese Produkte bereits auf dem Markt waren bzw. schon beim Verbraucher zuhause, wurden sie zurückgerufen.

Patrick Lohmeier: Nora, mich interessiert noch, ob es bestimmte Gruppen von Lebensmitteln gibt, die besonders häufig von Rückrufen betroffen sind.

Nora Dittrich: Also, letztes Jahr waren hauptsächlich folgende Produktkategorien betroffen, und zwar Nüsse und Nussprodukte, Knabberwaren, Getreide-Backwaren, aber auch Fleisch, Wild, Geflügel und Produkte daraus, sowie auch Milch und Milchprodukte und Obst und Gemüse. Und da sieht man auch ganz gut, dass Rückrufe tatsächlich durch verschiedene Produktgruppen hindurchgehen können. Und was man an der Stelle vielleicht auch noch sagen kann: Die Warnungen werden jährlich ausgewertet, und für 2022 ergab die Auswertung, dass es insgesamt 311 Warnungen gab auf lebensmittelwarnung.de. Das ist insofern interessant, als dass das dreimal so viel ist wie im Jahr 2015 noch. Also, die öffentlichen Rückrufe sind kontinuierlich gestiegen.

Patrick Lohmeier: Mit "Listerien" und den allergieauslösenden Stoffen hast du bereits ganz wichtige Stichwörter genannt. Das sind ja tatsächlich auch aktiv gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe oder Keime, Verunreinigungen, wie auch immer, die zuweilen in Lebensmitteln zu finden sind. Jetzt mal abgesehen von diesen etwas drastischeren Fällen: Kann ich davon ausgehen, dass die meisten Rückrufe oder Lebensmittelwarnungen präventiver Natur sind und die betroffenen Nahrungsmittel nicht wirklich stark gesundheitsgefährdend oder anderweitig schädlich sind? Oder muss ich mir wirklich Sorgen machen um meine Gesundheit?

Nora Dittrich: Ja, also in dem Portal sind natürlich Produkte wie z.B. die Listerien in Lachskaviar oder die Glassplitter in Kapern. Das sind tatsächlich Produkte, die mit einer Gesundheitsgefahr verbunden sein können. Und generell ist zu sagen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht auf einwandfreie Lebensmittel und Bedarfsgegenstände haben. Und die Verantwortung liegt hierbei bei den Herstellerbetrieben und bei den Händlern dieser Produkte. Die Unternehmen führen dazu auch systematisch eigene Kontrollen durch. Und der Lebensmittelunternehmer ist neben der Einhaltung aller lebensmittelrechtlichen Bestimmungen natürlich auch verantwortlich für die Lebensmittelsicherheit. Das heißt, er unterliegt einer Sorgfaltspflicht, im Rahmen dessen er dafür verantwortlich ist, dass die Lebensmittel, die er produziert, verarbeitet und vertreibt, sicher sind. Eine Rücknahmepflicht gilt für Lebensmittel, die als unsicher gelten. Lebensmittel sind dann nicht sicher, wenn sie gesundheitsschädlich sind oder für den Verzehr ungeeignet sind. Befinden sich in einem Lebensmittel Glassplitter oder Kunststoffteile, dann ist das definitiv nicht für den Verzehr geeignet und kann auch die Gesundheit gefährden. Erkennt ein Lebensmittelunternehmer oder hat er den Verdacht, dass eines seiner Lebensmittel nicht den Anforderungen der Lebensmittelsicherheit entspricht, muss der Hersteller das betreffende Lebensmittel sofort zurückrufen.

Patrick Lohmeier: Welche Pflichten haben dann in diesem Fall Hersteller und Händler und wie kommunizieren sie, dass eines ihrer Produkte von einem Rückruf betroffen ist?

Nora Dittrich: Zunächst einmal ist zu sagen, dass öffentliche Rückrufe als Bestandteil eines verantwortungsvollen Managements angesehen werden sollten, mit dem Transparenz und Vertrauenswürdigkeit demonstriert werden. Aber auch die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch die Unternehmen ist wichtig. Es gibt zwar keinen konkreten, festgeschriebenen Ablauf, aber der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die Maßnahmen für einen Rückruf effektiv sein müssen und dass der Rückruf die Verbraucher erreichen muss. Unternehmen kommunizieren einen Rückruf beispielsweise über Pressemitteilungen oder sie nutzen Kommunikationskanäle wie soziale Medien, ihre Homepage oder hängen Hinweisschilder oder Ausdrucke in den Märkten aus. Außerdem gibt es das Portal lebensmittelwarnung.de, innerhalb dessen Verbraucher Rückrufe zu Lebensmitteln und Produkten einsehen können.

Patrick Lohmeier: "Effektive Maßnahmen" - das klingt für mich arg schwammig. Was sind denn effektive Maßnahmen bitteschön? Ich hoffe, du verzeihst mir, ich muss ein bisschen spitzfindig sein. Ich weiß, das ist nicht deine Wortwahl.

Nora Dittrich: Das ist vollkommen in Ordnung, dass du an dieser Stelle kritisch bist. Es muss tatsächlich angemerkt werden, dass die Darstellung der gesundheitlichen Risiken in den Meldungen und Rückrufen qualitativ sehr unterschiedlich vorgenommen wird. Aus unserer Sicht ist das kritisch, denn das Portal lebensmittelwarnung.de richtet sich an Verbraucher. Deshalb sollte das Ziel immer sein, dass Verbraucher so schnell wie möglich gut und verständlich über Rückrufe im Allgemeinen sowie die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken informiert werden können. Bei einem Rückruf sollten alle sämtlichen verbraucherrelevanten Informationen in der Pressemitteilung enthalten sein. Zu einer guten und zielführenden Pressemitteilung gehört, dass das Lebensmittel genau beschrieben wird. Dazu gehören der Markenname, die Produktbezeichnung, das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Charge und ein Foto. Außerdem sollte der Fehler beschrieben werden, der zum Rückruf geführt hat. Es sollten Informationen zur ausgehenden Gefahr und zu den möglichen Auswirkungen beim Verzehr des Lebensmittels gegeben werden. Dann sollte angegeben werden, wo das Lebensmittel gekauft wurde, also bei welchem Händler und in welchen Bundesländern. Außerdem sollte beschrieben werden, was mit dem Produkt zu tun ist, also ob Verbraucher es nicht mehr verzehren sollen, ob sie es zurückbringen können und wie es reklamiert werden kann, mit oder ohne Bon. Idealerweise sollte auch eine Kundennummer oder eine Kundenhotline für weitere Fragen angegeben werden. Beispielsweise gab es einen Rückruf von Heidelbeeren im Glas aufgrund von Glassplittern. Das sind schwerwiegende Fälle, bei denen es zu Verletzungen kommen kann, wenn ein Glassplitter versehentlich verzehrt wird. An der Stelle noch ein Tipp für Verbraucher: Achten Sie unbedingt auf die angegebenen Chargennummern und das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum, die in der Meldung angegeben werden, um sicherzustellen, dass Ihr Produkt tatsächlich betroffen ist.

Patrick Lohmeier: Wir haben bereits das Portal lebensmittelwarnung.de erwähnt, das eine Informationsquelle für Menschen ist für alle Menschen, die sich nicht auf Social-Media-Kampagnen, Aushänge oder Pressemitteilungen von Unternehmen und Händlern verlassen möchten. Was finde ich denn auf lebensmittelwarnung.de?

Nora Dittrich: Lebensmittelwarnung.de ist ein Portal der Bundesländer und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Hier werden öffentliche Warnungen und Informationen zu Produkten bereitgestellt, bei denen durch die amtliche Lebens- und Futtermittelüberwachung mögliche Gesundheitsrisiken festgestellt wurden oder die vom Hersteller oder Vertreiber zurückgerufen worden sind. Und mit Produkten ist auch hier an der Stelle gemeint: Lebensmittel, kosmetische Produkte, Lebensmittelbedarfsgegenstände oder Tätowiermittel. Es werden einschlägige Informationen über Produkte erfasst, die in den angegebenen Bundesländern auf dem Markt sind oder über das Internet verkauft wurden und möglicherweise bereits an Endverbraucher abgegeben wurden.

Patrick Lohmeier: Kurzer Einschub: Ich habe versucht, lebensmittelwarnung.de auf meinem Smartphone zu öffnen, aber es sieht eher unübersichtlich aus. Gibt es eine Möglichkeit, mobil auf die Seite zuzugreifen?

Nora Dittrich: Es wurde angekündigt, dass eine App entwickelt werden soll, um auf das Portal lebensmittelwarnung.de zuzugreifen, aber diese App ist noch nicht verfügbar. Solange es die App noch nicht gibt, können Verbraucher auf die sogenannte Verbraucherschutz-App vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zurückgreifen. Außerdem gibt es bei Twitter durch das Portal lebensmittelwarnung.de den Account @LMWarnungen, auf dem Hinweise getwittert werden, wenn wieder eine neue Warnung online gegangen ist. Allerdings werden dort nicht angegeben, welche Produkte betroffen sind, sondern nur dass es eine neue Warnung gibt. Verbraucher können sich aber auch über die sozialen Medien, z.B. bei der Verbraucherzentrale NRW oder der Verbraucherzentrale Hamburg über Rückrufe informieren.

Patrick Lohmeier: Gut zu wissen. Müssen Händler und Unternehmen mich als Verbraucher über alle Lebensmittelwarnungen und -rückrufe informieren?

Nora Dittrich: Also, es ist tatsächlich so, dass Verbraucher nicht von allen Rückrufen erfahren, weil man hier unterscheiden muss. Es gibt nämlich einen öffentlichen Rückruf und einen stillen Rückruf, der auch genauso genannt wird. Bei einem öffentlichen Rückruf, also den Rückrufen, die man auch im Portal lebensmittelwarnung.de findet, werden die betroffenen Produkte aus dem Handel genommen. Verbraucher werden öffentlich gewarnt, wenn das Produkt bereits Verbraucher erreicht haben könnte. Wenn dem so ist, kommt es zu einem öffentlichen Rückruf. Aber, stellt ein Lebensmittelproduzent fest, dass seine Produkte, die noch nicht an Verbraucher verkauft worden sind, nicht einwandfrei sind, kann er sie aus dem Handel zurücknehmen, und das kann dann still stattfinden ohne einen öffentlichen Hinweis. Aber auch hier besteht eine Pflicht zur Rücknahme, wenn das Produkt gesundheitsschädlich ist, nicht zum Verzehr geeignet oder z.B. verdorben, ekelerregend oder erheblich täuschend ist.

Patrick Lohmeier: Es gibt ja doch manche Menschen, ich habe selber solche in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, die sich entweder mit diabolischem Vergnügen oder einer großen Sorge solche Seiten täglich angucken wie lebensmittelwarnung.de. Würdest du das empfehlen, jeden Morgen aufzuwachen und die Seite zu besuchen, um zu gucken, welches Lebensmittel heute möglicherweise verunreinigt, vergiftet oder abgelaufen ist?

Nora Dittrich: Ja, ich glaube, um diese Frage tatsächlich zu beantworten, muss man wahrscheinlich unterscheiden zwischen lebensmittelrechtlicher oder sicherheitsrelevanter Sicht und psychologischer Sicht. Aus psychologischer Sicht würde ich freistellen, ob es dem Einzelnen wirklich guttut, jeden Tag in dieses Portal zu schauen und sich vielleicht generell in seinem Leben unsicher zu fühlen. Lebensmittelrechtlich und in Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit muss ich aber sagen, dass nur dann eine öffentliche Warnung bzw. eine Information der Öffentlichkeit erfolgt, wenn der Verdacht besteht, dass ein Gesundheitsrisiko besteht. Es ist unangemessen, Produkte auf dem Markt zu bewerben, die gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften verstoßen, die dazu dienen, Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen zu schützen, oder Produkte, die erheblich täuschen. Auch Produkte, die für den Verzehr ungeeignet sind, insbesondere ekelerregende Lebensmittel in erheblicher Menge oder über einen längeren Zeitraum auf dem Markt erhältlich sind, sollten nicht beworben werden. Es handelt sich hier um unsichere Lebensmittel, und es ist angemessen, im Rahmen des Schutzes der eigenen Gesundheit darauf hinzuweisen. Es ist auch nicht zu verharmlosen. Welche Ausmaße ein Rückruf annehmen kann, insbesondere wenn es sich um ein großes Unternehmen mit einer breiten Produktpalette handelt, sieht man am Rückruf von Schokoladenprodukten eines belgischen Süßwarenherstellers im vergangenen Jahr, bei dem Salmonellen auftraten. Über 119 Schokoladenartikel waren betroffen, und weitere Produkte wurden verdächtigt. Dies führte zu einem großen Rückruf, der für das Unternehmen und die Verbraucher teuer war. Es ist wichtig zu betonen, dass Unternehmen ihre Eigenkontrollen durchführen müssen, um solche Vorfälle zu vermeiden. Außerdem ist ein gutes Krisenmanagement und eine transparente Informationspolitik nach außen erforderlich.

Patrick Lohmeier: Das ist natürlich vollkommen richtig und wichtig. Und völlig unabhängig von den Versäumnissen, die es seitens des Herstellers in Sachen Nachkommen der Informationspflicht gab, hoffe ich einfach, dass uns so ein weitreichender Fall wie den, den wir jetzt zu Ostern 2022 erlebt haben, nicht so bald wieder ins Haus steht. Toi toi toi! Jetzt mal etwas vom Theoretischen ins Praktische. Ich bin jetzt zu Hause und gucke in den Kühlschrank oder ins Lebensmittelregal und sehe ein Produkt, das eben nicht sicher ist, so wie du es vorhin umschrieben hast. Was mache ich mit eben dieser Dosensuppe, die vielleicht Glassplitter enthält?

Nora Dittrich: Ja, also hier gilt ganz klar, dass Verbraucher das Recht auf einwandfreie Produkte haben und der Händler bei Beanstandungen tatsächlich der erste Ansprechpartner ist. Betroffene Verbraucher sollten dann am besten auch mit dem Kassenbon als Kaufnachweis ihr erworbenes Produkt zunächst gegen ein einwandfreies Lebensmittel umtauschen lassen. Kann der Händler dieses Lebensmittel nicht umtauschen oder ist ein Umtausch aus bestimmten Gründen nicht möglich, können Sie Ihr Geld zurückverlangen. Eine Reklamation direkt beim Hersteller ist möglich, oft kann man hier auch mit großzügigen Ersatzleistungen rechnen, aus Kulanzgründen. Vorbei ist aber auf diese Formen der Wiedergutmachung kein Rechtsanspruch. Das muss man an der Stelle auch sagen. Aber die Reklamation über diesen Weg ist auch möglich. Finden Verbraucher aber an beiden Stellen kein Gehör oder werden nicht ernst genommen, dann können sich Verbraucher natürlich auch an die Verbraucherzentrale wenden. Wir helfen da auch immer gerne weiter in solchen Fällen und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Oder Verbraucher melden sich direkt bei der Lebensmittelüberwachungsbehörde ihres Kreises oder ihrer Stadt. Das ist vor allem wichtig bei schwerwiegenden Fällen. Wenn beispielsweise ein Mettbrötchen beim Bäcker gekauft wurde und danach Symptome auftreten, sollte umgehend und schnell direkt die Behörde kontaktiert werden. Die zuständige Behörde kann dann entweder eine abgegebene oder zugesandte Probe untersuchen oder einem gezielten Hinweis auch direkt vor Ort nachgehen. Und wenn die Ursache dieser Beschwerde auch bei anderen Verbrauchern zu gesundheitlichen Schäden führen kann, dann leitet die Lebensmittelüberwachungsbehörde auch umgehend Maßnahmen ein, um die Gefahr abzuwenden. Und das ist ganz wichtig in diesem Fall.

Patrick Lohmeier: Oh, da gibst du mir eine Steilvorlage für meine nächste Frage. Was mache ich denn, wenn ich das nicht sichere Lebensmittel nicht vor dem Verzehr noch rechtzeitig als solches erkenne bzw. identifiziere im Kühlschrank oder im Lebensmittelregal? So gemäß dem Sprichwort "Hier ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen." Will heißen, ich habe es bereits verzehrt. Ich habe die verunreinigte Limo bereits getrunken. Was können Verbraucherinnen und Verbraucher tun, wenn sie bleibende Schäden davontragen? Zum Beispiel ein abgebrochener Zahn oder Schlimmeres.

Nora Dittrich: Sind jetzt gesundheitliche Schäden eventuell davon getragen worden oder der Zahn ist abgesplittert, als ich auf das Kunststoffteil gebissen habe, dass ich in der Dosensuppe gefunden habe, dann ist es tatsächlich so, dass es ja eine Darlegungs- und Beweislastzeiten des Verbrauchers gibt. Also er muss dann beweisen bzw. es muss zurückzuführen sein, dass die Erkrankung oder Hinweise der gesundheitliche Schaden tatsächlich von diesem Produkt ausgingen. Also raten wir dem Verbraucher, dass, wenn er Krankheitssymptome zeigt, schnellstmöglich einen Arzt aufzusuchen, um sich dort die Erkrankung bzw. die körperlichen Auswirkungen bescheinigen und attestieren zu lassen. Hier sollte der Verbraucher dann alle medizinischen Unterlagen gut zusammenhalten und aufbewahren und auch Beweismittel wie das betroffene Produkt, auch wenn es schon verzehrt wurde, die Verpackungen aufheben sowie den Kassenbon unbedingt behalten. Anschließend sollte sich der Verbraucher dann am besten an einen auf Medizinrecht spezialisierten Anwalt wenden, zu finden über die Rechtsanwaltskammer, um mit ihm dann gemeinsam abzuklopfen, inwieweit Schadensersatz oder Schmerzensgeld geltend gemacht werden kann und inwiefern und ob es überhaupt Aussicht auf Erfolg hat, weil das ist natürlich im Einzelfall dann auch die große Frage.

Patrick Lohmeier: Vielen Dank, Nora, für deine Expertise, und dass du auch noch einmal die Gefährlichkeit von Lebensmittelwarnungen für uns alle eingeordnet hast. Das war für mich auch sehr wichtig. 

Nora Dittrich: Vielen Dank auch für die Einladung in den Podcast. Um das Ganze auch zum Schluss noch mal einzuordnen, möchte ich hinzufügen, dass die allgemeinen Lebensmittelsicherheit in Deutschland und der EU einen sehr hohen Standard hat und es gibt EU-weit und international ein abgestimmtes Sicherungssystem für Lebensmittel. Grundsätzlich sind die Unternehmen für die Sicherheit der Produkte verantwortlich und müssen das durch Eigenkontrollen gewährleisten. Aber zusätzlich gibt es noch Kontrollen der Produkte und dazugehörigen Betriebe durch die Lebensmittelüberwachung, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.

Patrick Lohmeier: Cool! Danke für diese wichtige Ergänzung und bis zum nächsten Mal.

Nora Dittrich: Dir auch Danke und bis zum nächsten Mal.

Patrick Lohmeier: Das war unser Podcast genau genommen, der wie immer garantiert ohne Gesundheitsrisiko ist. Mein Dank gilt allen, die zur Produktion dieser Podcastreihe beitragen. Und natürlich möchte ich mich auch bei unseren Zuhörern bedanken. Unsere Folgen mit Expertengesprächen zu Verbraucherrechten und anderen Themen können in so gut wie allen Podcatchern gehört werden. Abonnieren Sie uns kostenlos bei Spotify, Apple, Google Podcasts, Pocket Casts oder wo auch immer Sie Podcasts hören. Weitere Informationen zu Lebensmittelwarnungen und Rückrufen sowie zu Ernährung und anderen Gesundheitsthemen finden Sie unter www.verbraucherzentrale.de. Wir melden uns in ein paar Tagen mit einem neuen, spannenden Thema wieder. Bis dahin erreichen Sie mich für Feedback und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Dies war genau genommen - Der Podcast der Verbraucherzentralen. Mein Name ist Patrick Lohmeier und ich freue mich auf ein Wiederhören.

 

Fragen und Kommentare können Sie gerne an podcast@vz-bln.de schicken!

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