Jeder siebte Anbieter verstößt gegen die gesetzlichen Vorgaben und gibt in den Vertragsbedingungen unwirksame Laufzeitverlängerungen oder falsche Kündigungsfristen an. Die Verbraucherverbände haben Firmen, die gegen das Gesetz für faire Verbraucherverträge verstoßen, abgemahnt und falls erforderlich verklagt.
Verbraucherverbände überprüfen mehr als 800 Unternehmen: Frappierende Anzahl mit unzulässigen Kündigungsklauseln
Wenn das spannend aufgemachte Hochglanzmagazin mit einem dreimonatigen Schnupperabo lockt, ist das Jahresabonnement schnell abgeschlossen. Umso ärgerlicher, wenn die Kündigungsfrist nach der Mindestlaufzeit verpasst wird und die teuren Abo-Beiträge dann ein weiteres Jahr bezahlt werden müssen. Seit dem 1. März 2022 gehören solche Dauerschuldverhältnisse der Vergangenheit an. Wer einen Vertrag mit einem Zeitschriftenverlag, Energieversorger oder Fitnessstudio abschließt, hat seitdem das Recht, diesen nach Ablauf der Mindestvertragszeit mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Für Handy-, Festnetz- und Internetverträge gelten die Regelungen bereits seit Dezember 2021 – sowohl für Verträge, die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden, als auch für Altverträge.
„Das Gesetz für faire Verbraucherverträge verspricht mehr Flexibilität bei langfristigen Verträgen. Unser Marktcheck zeigt jedoch, dass viele Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und ganz schnell einiges nachholen müssen“, appelliert Michael Hummel, Teamleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen. „Obwohl die Wirtschaft mehr als ein Jahr Zeit hatte, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die neuen Gesetze anzupassen, nutzt immer noch jeder siebte Anbieter unwirksame Klauseln.“ Insgesamt stellten die Verbraucherverbände 167 Verstöße bei 116 Unternehmen fest.
GRAVIERENDE MÄNGEL AUFGEDECKT
Von Kiel bis Stuttgart hatten die Verbraucherschützer*innen eine lange Liste mit Langzeitverträgen aus fast allen Lebensbereichen auf ihren Tischen: Allen voran Strom- und Gasverträge, Verträge aus dem Bereich Telekommunikation, aber auch von Streamingdiensten und Spielekonsolenherstellern, Partnerbörsen und Datingplattformen, Fitnessstudios, Carsharing-Unternehmen, Anbietern digitaler Dienstleistungen und viele mehr.
Die aufgespürten unzulässigen Regelungen betrafen sowohl die Kündigungsfrist als auch die Vertragsverlängerung. So sahen manche AGB-Klauseln entgegen der Rechtslage eine stillschweigende Vertragsverlängerung um einen bestimmten Zeitraum vor oder eine Kündigungsfrist von mehr als einem Monat. Am prozentual häufigsten fanden die Expert*innen ungültige AGB-Klauseln bei Abonnements für Kleidung und Bedarfsgegenstände (35 Prozent der untersuchten Firmen), Partnerbörsen und Dating (34 Prozent), Fitnessstudios und Tanz- oder Fitnesskurse (27 Prozent) sowie im Bereich Mobilität (24 Prozent).
Auffällig: Im Bereich Telekommunikation wurden mit nur zwei Prozent vergleichsweise wenig Verstöße festgestellt.
VERBRAUCHERVERBÄNDE BEWIRKEN VERBESSERUNG
Weil Verstöße gegen Verbraucherrechte nicht nur aufgedeckt, sondern auch abgestellt werden müssen, mahnten die Verbraucherverbände bislang 85 der 116 auffällig gewordenen Unternehmen ab. Rund 60 Prozent der abgemahnten Unternehmen zeigten Einsehen, änderten die AGB und gaben eine Unterlassungsserklärung ab. Gegen zwei Anbieter wurde Klage erhoben, gegen einen eine einstweilige Verfügung erlassen. Bei 31 Unternehmen ist die rechtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen oder es werden weitere juristische Schritte geprüft. „Dass 60 Prozent der abgemahnten Unternehmen ihre Geschäftsbedingungen anpassen, ist ein erster Erfolg unseres gemeinsamen Marktchecks. Wir bleiben dran und bringen die noch offenen Verfahren zu Ende, um noch mehr Verbraucherinnen und Verbrauchern zu ihrem Recht zu verhelfen“, erklärt Michael Hummel und ergänzt in Richtung Wirtschaft: „Wir werden auch ein Auge darauf haben, ob alle Unterlassungserklärungen in Zukunft erfüllt werden.“
TIPP FÜR BETROFFENE
Unwirksame Regelungen zu Vertragsverlängerungen und Kündigungsfristen haben zwar keine Wirkung, führen aber oft dazu, dass sich Verbraucher*innen einschüchtern lassen. Anbieter pochen oftmals recht erfolgreich auf ihre Geschäftsbedingungen. „Wer einen Vertrag nach dem 1. März 2022 abgeschlossen hat, kann diesen nach der Mindestlaufzeit jederzeit mit einer Monatsfrist kündigen. Dabei ist egal, was in den AGB steht“, so Hummel. Wer sich unsicher ist, wie das durchzusetzen ist, kann sich an eine Verbraucherzentrale in der Nähe wenden und dort unabhängigen Rat einholen.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.