1500 Euro für eine Türöffnung, undurchsichtige Geschäftsstrukturen und Postadressen, die ins Leere laufen: Das klingt nach vielen Hürden, die aus dem Weg zu räumen sind, wenn man Schlüsseldienste mit Wucherpreisen zur Rechenschaft ziehen möchte? Stimmt! Hier finden Sie Aktionen und Empfehlungen der Initiative, um dubiosen Schlüsseldienst-Abzockern Steine in den Weg zu legen.
"Es geht uns darum, dubiose Anbieter mit Wucherpreisen zu entlarven und seriöse Anbieter zu stärken, um mehr Zuverlässigkeit und Orientierung für Verbraucher zu gewährleisten", erklärt Rechtsexpertin Stefanie Siegert von der Verbraucherzentrale Sachsen.
Seit 2016 verzeichnet die Verbraucherzentrale Sachsen knapp 700 Beschwerden wegen horrender Rechnungen von dubiosen Schlüsseldiensten. Die Verbraucherzentrale Sachsen kämpfte über ein Jahr mit Betroffenen vor Gericht, mit stetiger Medienarbeit und verschiedenen Präventions- und Aufklärungs-Aktionen gegen organisierte Schlüsseldienst-Abzocker.
Dafür ist jedoch eine gehörige Portion Geduld und viel Hartnäckigkeit gefragt: Oft ist schon keine ladungsfähige Anschrift zu ermitteln, die es ermöglicht, überhaupt Klage einreichen zu können. Die größte Hürde ist jedoch in der Zwangsvollstreckung zu nehmen. Kommt es zu einem Urteil, scheitern Zwangsvollstreckungen oft an der vermeintlichen Vermögenslosigkeit des Schuldners. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Verbraucherzentrale Sachsen aufgibt! Umso wichtiger ist es, die geballte Expertise der Partner der Initiative zu nutzen. Ziel der Verbraucherzentrale Sachsen ist es, Prozessrisiken für Verbraucher zu minimieren, Rechtssicherheit und Orientierung zu schaffen, das Wachstum mafiöser Strukturen einzudämmen und ortsübliche Preise zu definieren.
Warnung vor dubiosen Schlüsseldiensten: Die Abzocker-Liste der Verbraucherzentrale Sachsen
Sie werben mit Schnäppchenpreisen im Internet und sind auch bei der Online-Suche unter den Top-Treffern vieler Suchmaschinen, doch am Ende stehen oft Schlüsseldienst-Rechnungen im hohen drei oder - vierstelligen Bereich. Sie kommen vermeintlich direkt aus dem Umkreis, die wirklichen Drahtzieher haben ihren Sitz aber oftmals weit weg. Und ist die Tür erst einmal geöffnet, kommt bei ihnen nur Bar- oder Kartenzahlung in Frage – sonst wird es ungemütlich. Kurzum: Dubiose Schlüsseldienste tun wirklich vieles dafür, um auf der Abzocker-Liste der Verbraucherzentrale Sachsen zu landen.
- Verbraucherzentrale Sachsen: Abzocker-Schlüsseldienste im Überblick
Die Abzocker-Liste, die die von der Verbraucherzentrale Sachsen erstellt und im Verantwortungsbereich der Verbraucherzentrale Sachsen liegt, ist eine erste Orientierung, um in der Hektik der Notsituation nicht an den Falschen zu geraten: Ein Anbieter kommt dann auf die Liste, wenn der Verbraucherzentrale Sachsen mindestens 10 dokumentierte Fälle vorliegen, bei denen zumindest knapp doppelt so viel wie ortsüblich abgerechnet wurde und/oder wenigstens ein durch die Verbraucherzentrale Sachsen erwirktes Gerichtsurteil infolge eines sittenwidrigen wucherähnlichen Rechtsgeschäfts vorliegt. Hier geht es zur Abzocker-Liste.
- Sächsisches Staatsministerium der Justiz: Betroffene sollten unbedingt Strafanzeige stellen
„Geben Sie bei Anzeigenerstattung eine umfangreiche Aussage ab, in der Sie alle Details schildern“, so der Sächsische Justizminister Sebastian Gemkow.
Neben verschiedenen Präventionsmaßnahmen zur Sensibilisierung des Bürgers beim Thema Schlüsseldienst-Abzocke, ist die Menge der Anzeigen für eine effektive Strafverfolgung entscheidend. Nur so können Betrugsdelikte und die dahinter stehenden Strukturen zum Vorschein gebracht und die Täter ausfindig gemacht werden, um sie strafrechtlich entsprechend zur Verantwortung zu ziehen. Betroffene sollen deshalb keine Scheu haben, Anzeige zu erstatten. Das ist ein entscheidender Beitrag für die Strafverfolgung, um dem Ziel, unseriöse Unternehmen zurückzudrängen, näher zu kommen.
Die strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen dubioser Schlüsseldienste können ganz verschiedene Facetten haben. In Betracht kommen je nach Fallgestaltung Delikte wie Wucher, Betrug, Steuerhinterziehung oder auch das Vorenthalten von Arbeitsentgelten. Meist wird nicht nur ein Straftatbestand erfüllt, sondern der Tatbestand verschiedener Delikte. Allein die Höhe des gezahlten Betrages ist dabei nicht ausschlaggebend für die Annahme einer Straftat. Denn nicht jedes zivilrechtlich zu beanstandende Verhalten ist auch automatisch strafrechtlich relevant.
Straftatbestand Wucher: Das Ausnutzen einer Zwangslage
Umso wichtiger ist es, dass die Betroffenen den Sachverhalt bei der Anzeigenstellung so ausführlich wie möglich darstellen. Nicht nur der Sachverhalt bezüglich der Türöffnung an sich ist entscheidend, sondern vor allem die Informationen rund um den Vorfall. War das ein Kind in der Wohnung eingeschlossen? Stand noch ein Topf auf dem Herd? Lag das Asthmaspray noch auf der Kommode als die Tür zu fiel? All das können wichtige Informationen sein, die im strafrechtlichen Sinne eine Zwangslage begründen. Diese ist eine Voraussetzung für den Straftatbestand des Wuchers.
Straftatbestand Betrug: Vortäuschen falsche Tatsachen mit Bereicherungsabsicht
Weiterhin sollten bei Anzeigeerstattung die konkreten Äußerungen und Verhaltensweisen des Schlüsseldienstes geschildert werden. Der Straftatbestand des Betrugs verlangt u.a. das Vortäuschen von Tatsachen und die damit einhergehende Bereicherungsabsicht des Täters. Das zugehaltene Display, um den tatsächlich zu zahlenden Preis zu verschleiern, oder die pauschale Aussage „Ihre Hausratversicherung übernimmt die Kosten des Schlüsseldiensteinsatzes immer in voller Höhe“, können auf Betrug hinweisen.- Landeskriminalamt und Polizei Sachsen: Polizeiliche Prävention
„Unseriöse Schlüsseldienste nutzen oftmals die Notlage ihrer Opfer aus. Da die Opfer jedoch häufig keine Anzeige erstatten, ist die Dunkelziffer der entsprechenden Straftaten sehr hoch. Dieses Thema nimmt daher einen hohen Stellenwert in unserer polizeilichen Beratungspraxis ein“, so Dirk Möller, Erster Kriminalhauptkommissar vom Landeskriminalamt Sachsen.
Die sächsische Polizei registrierte im Jahr 2017 knapp 350 Fälle im Sachzusammenhang. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Betroffenen oftmals die überhöhten Kosten unseriöser Schlüsseldienste hinnehmen und sich möglicherweise nicht bewusst sind, Opfer einer Straftat geworden zu sein. Unter Berücksichtigung der polizeilichen Auswertungen zu diesem Phänomen sind insbesondere jüngere Menschen (20 bis 29 Jahre) betroffen.
Polizeiliche Beratungspraxis
Es gilt, im Rahmen der polizeilichen Prävention über die Vorgehensweisen dieser Schlüsseldienste aufzuklären, die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung in diesem Zusammenhang zu verbessern und damit das Dunkelfeld zu erhellen.Gleichzeitig sollen Hilfestellungen gegeben werden, wie der „richtige“ Schlüsseldienst gefunden werden kann. Die Polizei wird das Thema „Abzocke durch Schlüsseldienste“ insbesondere in ihre Aktivitäten zum Einbruchschutz aufnehmen.
- Verbraucherzentrale Sachsen: 10 Tipps für die Schlüsseldienst-Suche
1. Vorsicht bei Schlüsseldienst-Werbeanzeigen im Netz!
Bei der Online-Suche ist der erste Treffer nicht immer automatisch der beste. Lassen Sie sich nicht von super günstigen Angeboten, wie beispielsweise „Türöffnungen ab 9 Euro“, blenden. Achten Sie auf den Hinweis „Anzeige“ bei den Suchmaschineneinträgen. Selbst wenn Sie nach einem örtlichen Schlüsseldienst suchen, ist die Ortsbezeichnung auf der Homepage kein Garant, dass es sich um einen örtlichen Schlüsseldienst handelt.2. Kommt der Handwerksbetrieb wirklich aus der Nähe?
Oder wird er nur von einem weit entfernten Unternehmen beauftragt? Ein Blick in das Impressum ist Gold wert! Oft stecken hinter den vermeintlich regionalen Anbietern fiese Strippenzieher, die als Vermittler unseriöser Schlüsseldienste fungieren.3. Werfen Sie einen Blick auf die Abzocker-Liste der Verbraucherzentrale Sachsen!
Dort finden Sie Schlüsseldienste, die schon für besonders viel Ärger gesorgt haben und fürs Türöffnen gern mal Wucherbeträge abknöpfen. Fragen Sie zur Sicherheit auch am Telefon, wie der Schlüsseldienstbetrieb heißt, der vor Ort sein wird. Bekommt man darauf keine oder nur eine fadenscheinige Antwort, sollte man nach einem anderen Anbieter suchen.4. Fragen Sie den Anbieter nach Referenzen!
Scheuen Sie sich nicht, den Schlüsseldienst nach Referenzen, Fortbildungen oder Meisterbriefen zu fragen. Diese Fakten unterscheiden sie von Anbietern, die ohne adäquate Leistung nur auf das schnelle Geld fokussiert sind. Wenn ein Fachbetrieb aber noch dazu Mitglied bei einer sogenannten Innung ist, ist das ein hoher Indikator für handwerkliche Qualitätsarbeit.5. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen!
Fordert der Schlüsseldienst nach der Türöffnung auf einmal einen horrenden Betrag von Ihnen, ist es ihr gutes Recht, die Richtigkeit der Rechnung zu hinterfragen und ggf. nicht gleich bzw. nur den ortsüblichen Teil des Gesamtbetrags zu bezahlen. Auch Elektrogeräte wie Fernseher und Smartphones dürfen dann nicht einfach vom Schlüsseldienst gepfändet werden. Rufen Sie im Zweifelsfall die Polizei hinzu!6. Achten Sie auf die Kontaktadresse auf der Rechnung!
Dass es sich bei dem ausführenden Unternehmen offensichtlich nicht um einen örtlichen Anbieter handelt, kann man spätestens der Rechnung entnehmen. Oftmals handelt es sich um Anbieter, die ihren Sitz meistens weit weg haben. Hier sollten Ihre Alarmglocken läuten.7. Vertrauen Sie nicht auf die Aussage „Das übernimmt Ihre Hausratversicherung“!
Man sollte zwingend überprüfen, ob von der eigenen Hausratversicherung derartige Fälle umfasst sind. Oft ist dies nicht der Fall.8. Zahlen Sie weder bar noch per EC-Karte, wenn Ihnen der Betrag sehr hoch erscheint!
Das Geld ist dann in den meisten Fällen weg und lässt sich aktuell - wenn überhaupt – nur mit viel Geduld und Spucke über den Gerichtsweg wiederbekommen. Zahlen Sie wenn überhaupt, dann nur den ortüblichen Preis. Eine Orientierung dafür kann die BVM-Tabelle geben.9. Wenn Sie abgezockt wurden: Stellen Sie Strafanzeige bei der Polizei!
Die Masse der Anzeigen bringt Maschen zum Vorschein und legt Betrügern schneller das Handwerk.10. Speichern Sie einen seriösen Anbieter ein!
Hat man seriöse Anbieter aus der Region gefunden, kann man die Kontaktdaten direkt an das schwarze Brett im Wohnhaus aufhängen oder im Handy einspeichern. Damit spart man sich nicht nur das Suchen im Notfall, sondern im Zweifelsfall auch eine Menge Geld.
Hier gibt es die Checkliste noch einmal im Überblick.