Augenarztpraxen verdienen doppelt an Sehtests

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Eine telefonische Befragung im Jahr 2017 bei Augenärzt:innen zeigte: 44 Prozent bieten gesetzlich Versicherten die Leistung Sehtest mit unzulässigen Zusatzkosten an.
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Die Anschaffung von Brillen und Kontaktlinsen ist seit 2004 für die meisten gesetzlich Versicherten keine Kassenleistung mehr. Klagen Patient:innen jedoch über Sehprobleme, übernehmen die Krankenkassen weiterhin die Kosten für die ärztliche Augenuntersuchung, die Messung der Sehstärke und Aushändigung der Dioptrienwerte für Brillengläser. 

Damals hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) öffentlich erklärt, "dass die ärztliche Untersuchung, die Verordnung von Brillengläsern und die Refraktionsbestimmung für Brillengläser immer zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen (ist), auch dann, wenn die verordneten Brillengläser nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bezogen werden können."

Diese Regel gilt nach Auskunft des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach wie vor. Sie wird dennoch von vielen Augenärzt:innen in der Praxis ignoriert. Das verdeutlichen die Klagen von Patient:innen im Beschwerdeportal www.igel-ärger.de der Verbraucherzentralen über ärztliche Gebühren für Augenuntersuchungen und die Aushändigung der Sehwerte (Refraktionsprotokoll).

Jede dritte Praxis hält die Hand auf

Um den Vorwürfen auf den Grund zu gehen, haben sich die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen, Berlin und Rheinland-Pfalz bei 209 Augenarztpraxen in Düsseldorf, Berlin und Mainz erkundigt, wie notwendige Sehstärken-Untersuchungen abgerechnet und Zusatzkosten begründet werden. Demnach bieten 18 Praxen Patient:innen eine erforderliche Sehstärken-Untersuchung sowie die Aushändigung der Messwerte als Gesamtpaket im Schnitt für 15 Euro an. 

Fünf Praxen erbringen die eigentliche Kassenleistung nur mittels privater Rechnung für rund 17 Euro. Das Gros der Augenärzt:innen rechnet die Augenuntersuchung und Sehstärkenmessung mit der jeweiligen Kasse ab. Jede dritte Arztpraxis hält dennoch beim Kassenstandard zusätzlich die Hand auf und verlangt für die Aushändigung der Dioptrienwerte in der Regel eine Gebühr von 10 Euro.

Die meisten Praxen begründen die Zusatzkosten fürs Sehstärkenprotokoll damit, dass dessen Weitergabe keine Kassenleistung sei. Was nicht stimmt: Das Sehstärkenprotokoll hält lediglich den ärztlichen Befund schriftlich fest. Dieser ist Teil der Patientenakte. Patient:innen können Befunde in ihrer Akte einsehen und verlangen, dass ihnen die Untersuchungsergebnisse ohne hohe Zusatzkosten ausgehändigt werden.

Spielraum für unkorrektes Abrechnen

Die Uneinheitlichkeit der Regelungen - Brillengläser und Kontaktlinsen werden von den Krankenkassen meist nicht bezahlt, im Gegensatz zu einer begründeten Untersuchung und Messung der Sehstärke - sorgt bei Patient:innen für Verunsicherung und verschafft den Augenärzt:innen einen Spielraum für unkorrektes Abrechnen.

Die Forderung der Verbraucherzentrale NRW: Die kassenärztlichen Landesvereinigungen müssen dieser Fehlentwicklung Einhalt gebieten, indem sie die Augenärzt:innen nachdrücklich auf deren vertragliche Verpflichtungen gegenüber Kassenpatient:innen hinweisen und Verfehlungen sanktionieren. Um Kostenfallen für Patient:innen zu vermeiden, sollten Krankenkassen besser über ihr Leistungsspektrum bei Augenuntersuchungen informieren.

Da die ermittelten Werte nicht automatisch für eine optimale Korrektur durch die Brillengläser auf 100 Prozent Sehfähigkeit ausreichen, besteht die Möglichkeit, die genaue Brillenglasbestimmung bei einem Augenarzt bzw. einer Augenärztin kostenpflichtig durchführen zu lassen. Günstiger ist es für Patient:innen, die Brillenglasbestimmung bei Optiker:innen durchführen zu lassen, der diese Leistung bei Kauf einer Brille in der Regel nicht zusätzlich in Rechnung stellt.

Seit März 2017 gilt eine Ausnahmeregelung für einen Leistungsanspruch auf Brillengläser: Brillen werden unter bestimmten Voraussetzungen wieder von der Kasse bezahlt. Wer mit mehr als sechs Dioptrien kurz- oder weitsichtig ist, bekommt seine Sehhilfe nun also wieder auf Rezept. Bei Menschen mit einer Hornhautverkrümmung reichen mehr als vier Dioptrien. Zur Kostenübernahme ist eine augenärztliche Verordnung notwendig.

Betroffene Patient:innen, denen zu Unrecht die Untersuchung oder das Sehstärkenprotokoll in Rechnung gestellt wurde, sollten sich bei ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin beschweren und das Geld zurückverlangen. Nützt dies nichts, können sie sich an die kassenärztliche Vereinigung wenden - oder an uns via igel-ärger.de!

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