Nahrungsergänzungsmittel gegen Long-COVID: Für Therapien ungeeignet

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Long-COVID ist eine Erkrankung. Nahrungsergänzungsmittel sind aber nicht zur Heilung gedacht und es gibt auch keine Beweise für eine Symptomlinderung bei dieser Krankheit. Oft dienen zugelassene Werbeaussagen symptomorientiert als Basis für die Produktzusammensetzung.
Eine Frau mit Long-COVID sitzt erschöpft auf einem Sofa

Das Wichtigste in Kürze:

  • Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel und nicht für Heilung, Linderung oder Therapie von Krankheiten geeignet.
  • Wirkaussagen zur Behandlung von Long-COVID sind für Nahrungsergänzungsmittel verboten.
  • Es gibt keine Studien, die eine positive Wirkung von speziellen Nahrungsergänzungsmitteln, Vitaminen oder Mineralstoffen bei Long-COVID beweisen würden.
  • Lassen Sie ärztlich abklären, ob ein behandlungsbedürftiger Nährstoffmangel besteht, um diesem dann gezielt entgegenzuwirken.
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Werbung und Wirklichkeit

Erst sollten Nahrungsergänzungsmittel (NEM) gegen SARS-Cov2 helfen, jetzt werden NEM gegen Long-COVID angeboten, teilweise sogar mehrere teure Produkte als Paket. Wirknachweise gibt es nicht. Aber es klingt gut, wenn individuelle Zusammenstellungen je nach Symptomlage angeboten werden. Tatsächlich orientieren sich die Anbieterempfehlungen an den vorhandenen Symptomen oder vielmehr an zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen, die zu bestimmten Symptomen passen.

Wann spricht man von Long-COVID?
5 bis 10 Prozent der an Corona Erkrankten haben länger als 4 Wochen Beschwerden. Das wird Long-COVID oder auch Post-COVID (ab 12 Wochen) bezeichnet. Die Symptome sind individuell sehr verschieden. Häufig werden Müdigkeit, Ein- und Durchschlafstörungen sowie schnelle oder ausgeprägte Erschöpfung nach körperlicher oder geistiger Anstrengung genannt. Hier spricht man von "Fatigue".

Andere berichten von Denk- und Konzentrationsstörungen, Atemnot, Husten, Verdauungsbeschwerden, schmerzenden Augen, Haarausfall und psychischen Problemen. Allen gemeinsam ist, dass sie in ihrer Leistungsfähigkeit und häufig auch bei der Bewältigung ihres Alltags eingeschränkt sind. Die "eine" erfolgreiche Therapie gibt es bisher nicht.

Suchmaschinen im Internet werfen erstaunlich viele Treffer aus, wenn Sie "Nahrungsergänzung" plus "Long-COVID" plus "kaufen" eingeben. Schaut man sich dann die entsprechenden Angebote an, findet man diesen Begriff dort nicht wieder – scheinbar liegt er im Verborgenen und ist nur für die Suchmaschinen auffindbar. Sonst hätten die Anbieter auch ein Problem, sind doch krankheitsbezogene Aussagen für Nahrungsergänzungsmittel (wie für alle Lebensmittel) verboten.

Die Produktangebote sind meist symptomorientiert. Für Menschen, die an Müdigkeit und Erschöpfung, Problemen mit Nervensystem oder Psyche leiden, werden vor allem B-Vitamine empfohlen. Nicht weil es dafür wissenschaftliche Beweise gäbe, sondern einfach nur  die passenden Gesundheitsclaims. Beispiele hierfür sind "trägt zur normalen Funktion des Nervensystems bei", "trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei" oder "trägt zur normalen psychischen Funktion bei" – wohlgemerkt zur "normalen Funktion". Von Heilung oder Linderung einer Krankheit oder Verbesserung ist nicht die Rede.

Gegen kognitive Einschränkungen empfehlen Hersteller Zink, Eisen und Jod mit der erlaubten Werbeaussage "trägt zu einer normalen kognitiven Funktion bei". Für Menschen mit Muskel- oder Gelenkschmerzen scheinen Magnesium, Kalium, Calcium oder auch Vitamin D eine gute Wahl, ist für diese Nährstoffe doch eine Werbung mit "trägt zu einer normalen Muskelfunktion" erlaubt. Evidenz Fehlanzeige. Auch, dass Vitamin-C-Infusionen bei chronischer Erschöpfung (Chronisches Fatigue Syndrom, CFS) oder der im Rahmen von Long-COVID auftretenden Erschöpfung helfen könnten, ist Spekulation. Wissenschaftlich untersucht wurde das bisher nicht.

Warum ausgerechnet Brokkolisprossenpulver, Weihrauch, Schwarzkümmel, Ginseng, Carnitin, Luteolin, ein gelber Pflanzenfarbstoff, Arginin oder Hydroxytyrosol, Inhaltsstoff aus der Olive, helfen sollen, erschließt sich nicht. Derlei Aussagen sind nicht erlaubt, aber eine geschickte Kombination mit den oben genannten Vitaminen oder Mineralstoffen im Produkt wirkt mit Blick auf die Werbeaussagen angeblich Wunder.

Leider hat ein Marktcheck der Verbraucherzentrale NRW im Juni 2023 gezeigt, dass sich auch Angestellte in Apotheken und Reformhäusern mit dem Thema nicht gut auskennen und die Beratung gerade in Hinblick auf NEM eher auf (persönlichen) Erfahrungsberichten als auf wissenschaftlichen Beweisen oder Studien beruht.

Was sagen die Leitlinien zu Nahrungsergänzungsmitteln bei Long-COVID?

Erste Ansprechstation, wenn Sie gesundheitliche Probleme nach einer Corona-Erkrankung haben, sollte immer die Hausarztpraxis sein. Es gibt sowohl eine Behandlungs-Leitlinie als auch eine Patientenleitlinie zu Long-COVID.

Von einer Eigenmedikation mit Nahrungsergänzungsmitteln nach einer akuten COVID-19-Infektion rät die Leitlinie ab, da es bislang keine Daten gibt, die einen klaren Vorteil durch die Einnahme von Vitamin D, C oder Spurenelementen belegen. Daher sollten Sie gemeinsam mit Ihren behandelnden Ärzt:innen klären, ob ein behandlungsbedürftiger Nährstoffmangel vorliegt oder Ihnen vielleicht auch eine gezielte Ernährungsberatung weiterhilft.

Seit Mai 2024 ist die erste Richtlinie über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Long-COVID in Kraft.

Worauf sollte ich achten?

  • Wichtig: Wenn Ihnen aus medizinischer Sicht bei Long-COVID Extra-Nährstoffe empfohlen werden, weil tatsächlich ein Mangel beim einen oder anderen Nährstoff festgestellt wurde, ist dagegen selbstverständlich nichts einzuwenden. Allerdings sind NEM für Kranke nicht die richtige Wahl, dafür gibt es entsprechende Arzneimittel oder Lebensmittel für spezielle medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät, EBD) zur Diättherapie. Mehr zu den Produktunterschieden lesen Sie im verlinkten Artikel.
  • NEM müssen Sie selbst bezahlen. Krankenkassen übernehmen diese Kosten nicht, wohl aber die für Arzneimittel. Den Verbraucherzentralen liegen angebliche individuelle Zusammenstellungen von bis zu 10 NEM vor. Die Kosten belaufen sich dann auf gut 100 bis 300 Euro pro Monat.
  • Nehmen Sie NEM (besser Arzneimittel oder EBD) bei Long-COVID nur, wenn tatsächlich ein Mangel oder eine stärkere Unterversorgung festgestellt wurde. Informieren Sie unbedingt das ärztliche Personal über die Einnahme und klären in der Apotheke, ob es gegebenenfalls zu Wechselwirkungen mit Ihren Medikamenten kommt.
  • Halten Sie sich an die sicheren Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung.

Essen und Trinken, was kann helfen?

In der Patientenleitlinie gibt es eine ganze Reihe von Verhaltenstipps für alle Lebensbereiche. Hier nun die wichtigsten Empfehlungen zur Ernährung:

  • Häufige kleine Mahlzeiten (5 bis 6 pro Tag), um eine Überlastung des Verdauungstraktes zu vermeiden,
  • gemüsebetonte mediterrane Ernährung,
  • Obstverzehr auf maximal 250 Gramm pro Tag beschränken und Früchte in kleinen Portionen (bis 100 Gramm) mit proteinreichen Lebensmittel wie Quark, Käse oder Mandeln kombinieren. Das verbessert die Verträglichkeit.
  • Täglich Nüsse und Ölsaaten, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte nach individueller Verträglichkeit,
  • mageres Fleisch, Fisch, Ei und Milchprodukte als sinnvolle Ergänzung, um eine Eiweißmenge von 60 bis 80 Gramm pro Tag zu erreichen.
  • Pflanzliche Öle mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren (z.B. Rapsöl, Olivenöl),
  • täglich 1,5 bis 3 Gramm der Omega-3-Fettsäuren, Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) durch fettreichen Fisch und angereicherte Speiseöle, etwa Mikroalgenöle,
  • zu große Kohlenhydratportionen (helles Brot, Nudeln) und Süßigkeiten vermeiden,
  • Normalgewicht (Body-Mass-Index (BMI) von 19 bis 25 erhalten oder anstreben.


Zum Weiterlesen:


Quellen:


Marktbeobachtung der VZ NRW im Internet und sozialen Medien (Mai/Juni 2023)

Geschäfte mit Long-Covid-Patienten: Dubiose Heilmethoden und Nahrungsergänzungsmittel. Report Mainz (SWR), 13.09.2022 (zuletzt abgerufen am 19.07.2024)

Verbraucherzentrale NRW: Marktcheck/Befragung zu Nahrungsergänzungsmitteln gegen Long-COVID. Eine Untersuchung in Apotheken und Reformhäusern in NRW. Stand: Juli 2023

Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16.05.2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern, Fassung vom 17.05.2021

AWMF: Leitlinie "Long/Post-COVID-Syndrom" für Betroffene, Angehörige, nahestehende und pflegende Personen, die sich auf eine ärztliche Leitlinie stützt (Patientenleitlinie), aktualisierte Fassung vom 03.02.2023, in Überarbeitung (zuletzt abgerufen am 19.07.2024)

AWMF: S1-Leitlinie Long/ Post-COVID - Living Guideline. Stand: 30.05.2024, gültig bis 30.05.2024 (zuletzt abgerufen am 19.07.2024)

Meixner J (2023): Vitamin C gegen chronische Erschöpfung und Long Covid? Medizin transparent, Stand: 22.05.2023 (zuletzt abgerufen am 19.07.2024)

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