Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln: Was ist erlaubt? Was ist verboten?

Stand:
Für Nahrungsergänzungsmittel wurde per Gesetz lediglich festgelegt, welche Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt werden dürfen. Viele andere eingesetzte Substanzen, wie auch Höchstmengen der zugesetzten Stoffe sind jedoch nicht geregelt. Verbraucher:innen sind dadurch potentiellen Risiken ausgesetzt.
Bunte Reagenzgläser

Das Wichtigste in Kürze:

  • Derzeit ist nur der Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln (ohne Höchstmengen) geregelt.
  • Der Großteil der Stoffe, sog. sonstige Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung wie beispielsweise Aminosäuren, essentielle Fettsäuren, Ballaststoffe und Pflanzen- oder Kräuterextrakte ("Botanicals") ist nicht geregelt.
  • Nur sehr wenige Stoffe sind explizit verboten.
  • Für die "Botanicals", also Pflanzenstoffe, fehlen zudem Definitionen und Vorgaben zur Sicherung der Qualität.
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Welche Stoffe sind für den Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt?

Für den Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln sind europaweit eine Reihe bestimmter Vitamine und Mineralstoffe zugelassen. In den erweiterten Anhängen der zugrunde liegenden Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (Nem-RL, 2002/46/EG) der EU ist eine Positivliste zu finden, in der alle erlaubten Vitamin- und Mineralstoffverbindungen aufgeführt sind. Dort nicht genannte Vitamine und Mineralstoffe dürfen folglich nicht zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) verwendet werden (z.B. Germanium oder Gold).

Bei einer zu hohen Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen (Überdosierung) ist mit unerwünschten, teils gesundheitsschädlichen Wirkungen zu rechnen. Die in der Nem-RL vorgesehenen Höchstmengen-Regelungen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Gesundheit gibt es auch mehr als 20 Jahre nach Verabschiedung der europäischen Richtlinie nicht. Immerhin ist 2020 ein wenig Bewegung in die Angelegenheit gekommen, es wird wieder daran gearbeitet, Höchstmengen sind für 2024/2025 angekündigt.

Nachteilige Wirkungen durch eine zu hohe Dosierung sind vor allem bei fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A, D, E, K) und bei Spurenelementen wie Eisen, Selen oder Fluorid möglich. Daher empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestimmte NEM nur unter ärztlicher Kontrolle einzunehmen, einige (wie Kupfer) sind für Kinder und Jugendliche nicht geeignet. Für andere Nährstoffe wie Betacarotin (Provitamin A) empfiehlt das BfR (rechtlich nicht verbindliche) Höchstmengen. Hier finden Sie eine genaue Auflistung.

Welche Stoffe sind nicht geregelt?

Neben Vitaminen und Mineralstoffen können NEM eine Vielzahl weiterer Stoffe enthalten. Beispielhaft genannt werden in der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (Nem-RL) :

  • Aminosäuren
  • essentielle Fettsäuren
  • Ballaststoffe
  • Verschiedene Pflanzen- und Kräuterextrakte etc.

Anders als bei den Vitaminen und Mineralstoffen existiert für diese sogenannten "sonstigen Stoffe" keine Positivliste in der europäischen Nem-RL. Deshalb wird auf eventuelle nationale Vorschriften verwiesen. In Deutschland gibt es dazu - im Gegensatz zu anderen EU-Staaten - allerdings keine Festlegungen in der entsprechenden NemV.  Eine frühere nationale Verbotsregelung im deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB,  § 2 Absatz 3  Nr. 1 und 3) wurde 2021 für die sog. „sonstigen Stoffe“ sowie für Aminosäuren und deren Derivate aufgehoben. Diese unterliegen nicht mehr dem generellen Verbot mit Ausnahmevorbehalt. Die nationalen Auflistungen von Pflanzenstoffen in anderen Mitgliedstaaten folgen keiner einheitlichen Systematik und sind nur teilweise rechtsverbindlich. Bei diesen Stoffen ist im Einzelfall zu prüfen, ob sie den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen.

Die Beweislast liegt dabei bei den für die Kontrolle von NEM zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden in den Kommunen bzw. Kreisen. Diese müssen im Zweifelsfall Abgrenzungsfragen klären und die Einstufung der Stoffe bzw. die Dosierung im Einzelfall bewerten. Daraus ergibt sich eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Inverkehrbringens sowie bei der Kontrolle von NEM. Ein Beispiel dafür ist CBD, ein anderes sind Arzneistoffe wie Melatonin. Für Red Rice/Monacholin K gibt es inzwischen Höchstmengen.

Welche Stoffe sind für den Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln verboten?

Es gibt kaum Stoffe, die für den Einsatz in NEM verboten sind. Lediglich die Verordnung über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmter anderer Stoffe zu Lebensmitteln (VO (EG) 1925/2006, Fassung vom Dezember 2022) enthält im Anhang III eine (kurze) Negativliste für Stoffe, die für den Einsatz in Lebensmitteln, wie auch NEM, verboten sind, deren Verwendung eingeschränkt ist bzw. die noch geprüft werden.

Verboten (Teil A) sind bislang:

  • Aloe-Emodin, Emodin, Danthron und Aloe-Extrakte, die Hydroxyanthracen-Derivate (Anthrachinone) enthalten
  • Ephedra sowie dessen Zubereitungen
  • Yohimbe sowie dessen Zubereitungen

 

Eingeschränkt verwendet werden dürfen (Teil B):

 

Folgende Stoffe werden von der Gemeinschaft geprüft, weil sie möglicherweise gesundheitsschädlich sind (Teil C):

  • Faulbaum-Zubereitungen aus der Rinde (Rhamnus frangula L., Rhamnus purshiana DC.), die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten
  • Rhabarber-Zubereitungen aus Wurzel oder Rhizom (Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und ihre Hybride), die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten
  • Sennes-Zubereitungen aus Blättern oder Früchten (Cassia senna L.), die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten

Für die Rharbarber-Wurzel- und Sennes-Zubereitungen liegt inzwischen eine EFSA-Bewertung vor, die von einer Gesundheitsgefahr ausgeht. In nächster Zeit wird daher eine Einstufung in Teil A oder B durch die EU-Kommission erwartet.

Wie sind Qualität und Sicherheit bei Nahrungsergänzungsmitteln geregelt?

Für die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben sowie die Sicherheit von NEM ist der Hersteller, Inverkehrbringer oder Importeur zuständig. Die amtliche Kontrolle nach Inverkehrbringen der Produkte obliegt den zuständigen Lebensmittel­überwachungsbehörden.

Immer wieder bewegen sich gerade Pflanzen und Zubereitungen daraus, die sogenannten Botanicals, hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe und Bewerbung im Grenzbereich zwischen Arzneimittel und Lebensmittel. Deshalb hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 2014 gemeinsam mit den Bundesländern eine Stoffliste erarbeitet, in der Pflanzen und Pflanzenteile hinsichtlich ihrer Verwendung als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat dargestellt wurden. In 2020 wurde diese Liste um eine Vielzahl Pflanzen sowie Pilze erweitert und mit den zuständigen Ämtern in Österreich und der Schweiz abgestimmt. 2024 wurde sie zusätzlich um Algen erweitert.Rechtsverbindlich ist sie jedoch weiterhin nicht. Sie soll als Einstufungshilfe für Behörden, Lebensmittelhersteller und Verbraucher dienen.

Die vorgenommenen Einstufungen gelten jedoch nicht für Zubereitungen aus diesen Pflanzen(teilen), wie z.B. Extrakte oder Isolate (wie sie in NEM zu finden sind), da diese in ihrer Zusammensetzung, insbesondere bezogen auf die ernährungsphysiologischen und toxikologischen Eigenschaften, nicht mehr ohne Weiteres mit der Ausgangspflanze vergleichbar sind. Ob die Einstufung der Pflanzen(teile) auch auf die verschiedenen Zubereitungen übertragbar ist, muss für jede Zubereitung im Einzelfall geprüft werden.

Die Arbeit der Lebensmittelüberwachung wird zudem durch die fehlenden rechtlichen Vorgaben zur Qualität von Botanicals (z.B. einheitliche Extraktherstellung bzw. Angaben zur Extraktgewinnung) erschwert. Es fehlen wesentliche Kennzeichnungsvorgaben, wie beispielsweise:

  • Ausgangspflanze (Pflanzenart, Pflanzenteile, Menge und ggf. die Verhältnisse zueinander)
  • Art der Zubereitung (bspw. Pulver oder Extrakt)
  • Extraktcharakteristika (bspw. Extraktionsmittel, Verhältnis aus Inhaltsstoffen in der Ausgangspflanze zu den Inhaltsstoffen im Extrakt)
  • wirksamkeitsbestimmende Inhaltstoffe
  • besondere Hinweise (bspw. für Personen, für die sich das Produkt nicht eignet) etc.

Daher ist die Entscheidung über die Qualität und Sicherheit von Nahrungsergänzungsmitteln auch für Fachleute im Einzelfall nicht immer einfach zu treffen.

 

Downloads:

 

Zum Weiterlesen:

Forderungen der Verbraucherzentralen kurz und knapp, Stand August 2023

Verbraucherzentralen fordern Regelungen für Pflanzenstoffe

 

Quellen:


Nahrungsergänzungsmittel-Verordnung in der Fassung vom 05.07.2017

Europäische Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (NEM-Richtlinie 2002/46/EC) in der Fassung vom 06.02.2024

BVL (2024): Stofflisten des Bundes und der Bundesländer. Stand: April 2024 (zuletzt abgerufen am 27.05.2024)

BfR (2024): Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 006/2024 vom 22.02.2024 (zuletzt abgerufen am 27.05.2024)

Verordnung (EG)  Nr.  1925/2006 vom 20.12.2006 über  den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln, Fassung vom 22.06.2023 (zuletzt abgerufen am 27.05.2024)

BVL (2021): 4. LFGB-Änderungsgesetz – Änderungen in § 2 Absatz 3 LFGB – den Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe. Stand: 06.12.2021 (zuletzt abgerufen am 27.05.2024)

EFSA (2024): Scientific Opinion on additional scientific data related to the safety of preparations of Rheum palmatum L., Rheum officinale Baill. and their hybrids, Rhamnus purshiana DC., Rhamnus frangula L. and Cassia senna L. EFSA Journal 22 (5): e8766

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